Wir haben seit mindestens 800 Tagen nicht eine einzige Nacht durchgeschlafen und genau so fühlen sich Kopf und Körper auch an. Ein wabbelige, graue Masse, mancher bezeichnet es als Gehirn, bestimmt über unseren Familienalltag. Puhhh. Mit einem Kind, in unserem Fall bald 4, ändert sich das eigene Leben und die Paarbeziehung wirklich gewaltig.
Plötzlich hat man Verantwortung für ein kleines Wesen, welches ohne die Eltern nicht überlebensfähig ist.
Statt eines entspannten Frühstücks nach einer Dusche am Morgen steht man meist übermüdet, gestresst von Terminen, Verbindlichkeiten oder fremden Bedürfnissen gehetzt auf. Das schlaucht. Kein Wunder also, dass gerade frischgebackene Eltern an ihre Grenzen stoßen, sowohl die eigenen als auch die des Partners. Häufig wird die Partnerschaft dann erst einmal gewaltig auf Eis gelegt. Alle Liebe konzentriert sich auf das neue Familienmitglied. Nicht selten führt der Schlafentzug, die verlorenen Freiheiten, unerfüllbare Erwartungen an sich und den Partner und der Alltag dann auch zur Trennung. Schade drum, sollte das Konzept „Wir bekommen ein Baby“ doch eigentlich eine Familie formen und diese nicht in Bruchstücken hinterlassen.
Es gibt aber Möglichkeiten, aneinander festzuhalten und diese einschneidende Zeit gemeinsam durchzustehen, bis man sich als Eltern und auch als Elternpaar wieder gefunden hat.
Uns hat folgendes geholfen:
Der „Beziehungsfesthaltevertrag“:
Das erste Jahr mit Baby ist das schwerste. Man muss sich selbst neu (er)finden als Mama/Papa und es fühlt sich an, als würde einem ein neues Leben ungefragt übergestülpt. Es ist fremd, erwünscht zwar, aber fremd.
Bei unserer großen Tochter war Mama zum Beispiel schon klar, dass sie ein Kind bekommt und dieses auch bei ihr aufwachsen würde, aber als man ihr das kleine Wesen nach der Geburt in den Arm legte, bekam dieses Gefühl erst ein richtiges Bewusstsein. Man würde WIRKLICH dieses Kind mit nach Hause nehmen und für IMMER dessen Eltern sein. Wow. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Hatte man vorher noch fest gedacht, das eigene Leben würde sich nicht groß ändern und das Kind läuft da schon irgendwie mit, so muss man doch feststellen, dass das eher selten so ist. Über diese Naivität lachen wir heute. Nehmt euren Alltag, eure Gewohnheiten und Erwartungen, werft sie in die Salatschüssel des Lebens und schleudert einmal kräftig durch. Et voilà, da ist es: euer neues Ich. Der Hormoncocktail nach der Entbindung tut für die Frau dann noch sein Übriges. Man ist mit einem Mal genervt von verschiedensten Dingen, besonders dem anderen Menschen in seinem Zuhause, mit dem man alles Schöne teilen soll, der aber gefühlt nie hilft und nie das macht, was er soll und wie er es soll. Wir glauben, man kann es in dieser Neufindungsphase auch niemandem ehrlich recht machen, schon gar nicht einer Mutter.
Für unsere Söhne hatten wir also schon einen Schlachtplan entworfen, damit die Zeit nach der Entbindung harmonischer und weniger geprägt von Trennungs- und Bratpfannenverklopfgedanken sein würde. Wir haben damals einander fest versprochen, dass, egal was da kommen möge, wir uns im ersten Babyjahr nicht trennen. Egal wie schwer, egal wie schlimm und egal wie viele Fehler jeder von uns machen würde. Wir würden uns dieses Jahr zusichern und erst im Anschluss unseren Lebensweg neu ausloten – gemeinsam oder getrennt, sollten alle Stricke reißen. Dieser Plan ging auf und glaubt uns, dieses Versprechen hat uns oft davon abgehalten, mit gepackten Koffern aus der Tür zu rauschen. Wir haben uns angefangen zu reflektieren und viel darüber gesprochen, was wir anders gewollt hätten. In den Streitsituationen wäre uns das nie so klar aufgefallen. Aber nach dem einen Jahr merkten wir, dass es oft die Erwartungen waren, die wir einander nicht klar kommunizierten, die zu Konflikten führten. Wir konnten an uns arbeiten und haben es mit jedem Kind besser gemacht.
Wichtig, liebe Eltern, redet miteinander! Euer Mann/eure Frau kann nicht wissen, was ihr euch von ihnen wünscht, wenn ihr nichts sagt. Gebt euch Freiräume und teilt Arbeiten auf, auch wenn ihr total müde seid. Gönnt einander Schlaf und Freizeit. Wenn ihr könnt, gebt eure Kinder auch mal ab, auch wenn es nur für eine Spazierrunde mit Oma ist und legt euch mal in die Badewanne oder vor den TV. Lasst den Haushalt auch mal liegen, der läuft nicht weg. Leider. 🙂
Ist doch egal, wenn das Geschirr in der Küche steht. Möchtet ihr gerade lieber mit einer Freundin Kaffee trinken, mit dem Baby kuscheln oder eine Serie mit eurem Partner schauen? Dann tut dies. Tankt auf!
Und ganz wichtig: verliert euch gegenseitig nicht aus den Augen! Eine flüchtige Berührung, ein liebevoller Kuss, eine Blume zwischendurch oder das Lieblingsessen kochen, kostet nicht viel, tut aber enorm viel für eure Beziehung. Auch Zweisamkeit ist enorm wichtig. Ja, das Baby verlangt schon den ganzen Tag viel Körperkontakt und oft ist man froh, wenn einen abends niemand mehr anfasst. Aber es ist wichtig für die Beziehung. Intimität ist das Einzige, was ihr ausschließlich mit eurem Partner teilt. Für alles andere könntet ihr sonst auch mit der besten Freundin zusammenwohnen. Es hilft auch, sich hierfür an festen Tagen/Zeiten zu verabreden. So gibt es keine Ausreden und es kann nicht passieren, dass plötzlich Monate vergehen, ehe man wieder Zeit/Lust für seinen Partner findet.
Es fällt nicht immer leicht, aber versucht, so oft es euch gelingt, das Positive aneinander zu sehen. Lobt euch, seid dankbar für die Dinge, die erledigt werden und sucht nicht immer nach einem Auslöser zum Streiten. Das ist im Alltag wirklich eine Herausforderung, aber es lohnt sich einfach mal zufrieden und glücklich zu sein, mit dem, was man hat.
Noch ein Tipp an die lieben Mamas: Lasst den Papa machen! Er macht es anders, er macht es nicht so, wie ihr wollt. Aber er macht es gut! Euer Mann kann euch nicht mit dem Kind helfen, wenn er keine Chance hat, sich auszuprobieren und mit seinem Kind zu interagieren. Traut ihnen zu, dass sie dieses Kind genau so lieben wie ihr. Ein gebrochener Arm kann heilen, eine zerrüttete Beziehung, und damit meinen wir auch die Beziehung zum Kind, nicht. 😉
Und liebe Papas: „Sie kann es ja besser/schneller.“, „Das Kind beruhigt sich bei ihr eher.“, „Ich kann ja nicht stillen.“, „Ich gehe schließlich arbeiten.“ sind KEINE Ausreden, euch vor der gemeinsamen Verantwortung zu drücken!
Habt ihr das erste Jahr geschafft, geht es wieder aufwärts. Versprochen! Ihr seid in eurer Rolle angekommen und könnt nun wieder gemeinsam gegen die Widrigkeiten der Welt antreten. Spätestens, wenn sie Teenies werden, könnt ihr sonntags wieder ausschlafen 😉