Letztens habe ich beim Aufräumen meinen Lieblingspodcast gehört: Hidden Brain. In der Folge ging es um Kindererziehung und ums Eltern-sein. Es gibt, hieß es, zwei verschiedene Arten, sich der Kindererziehung anzunehmen: Die des Gärtners und die des Tischlers. Als Tischler hat man eine bestimmte Vorstellung von dem Produkt, das man schaffen möchte. Einen Tisch, zum Beispiel, oder einen Stuhl. Ich bearbeite dann das Holz meiner Vorstellung entsprechend und schaffe am Schluss ein Produkt, das so aussieht, wie ich es möchte. Als Gärtner jedoch habe ich mit mehr Ungewissheiten zu kämpfen. Das Wetter, zum Beispiel, oder die Beschaffenheit der Erde. All diese Faktoren können das, was ich heranziehen möchte, beeinflussen. Egal, wie sehr ich mich bemühe, als Gärtnerin habe ich nicht das gleiche Ausmaß an Kontrolle, weder über den Prozess noch über das Ergebnis, wie die Tischlerin. Ich kann nur mein Bestes geben, dass es den Pflanzen, die ich heranziehen möchte, gut geht, dass sie wachsen und gedeihen.
Die Analogie zur Kindererziehung liegt auf der Hand und ist überzeugend. Interessanter fand ich die Überlegung, dass, obwohl viele Menschen ihre Kinder lieber behandeln würden wie ein Gärtner seinen Garten, der Tischler-Zugang eigentlich der gesellschaftlich erfolgreichere ist. Nur, wenn wir unsere Kinder schon früh dazu bringen, ein Instrument rigoros zu üben, zum Beispiel, können sie wirklich Erfolg damit haben, dieses Instrument in der Zukunft zu meistern.
Meine Tochter ist fünf. Viele Aktivitäten, von denen ich mir wünschen würde, dass sie sie ausübt, findet sie langweilig oder uninteressant. Sie möchte nicht so gerne zur Musikschule gehen und Fußball fand sie ziemlich schnell ziemlich doof. Mir ging das als Kind ähnlich. Ich selbst hatte Eltern, die mich nie zu irgendetwas gezwungen haben, was zur Folge hat, dass ich heute weder ein Instrument spiele noch einen Mannschaftssport gut kann. Manchmal ärgere ich mich darüber und denke darüber nach, es bei unserer Tochter anders zu machen.
Trotzdem glaube ich, dass der Zugang der Gärtnerin der bessere Weg ist. Ein guter Gärtner lässt sich auch davon überraschen, welchen Weg die Pflanzen einschlagen wollen und ist bereit, sich von seinen eigenen Vorstellungen abbringen zu lassen. Dabei können Sachen herauskommen, die unsere Vorstellung übersteigen und viel schöner und bereichernder sind als das, was wir uns zuvor gedacht haben. Meine Freundin, zum Beispiel—selbst eine wunderbare Gärtnerin— teilt ihr Wohnzimmer mit einem arabischen Jasmin, die sich durch das Zimmer schlängelt. Eigentlich sollte die Pflanze nur 1,5 Meter groß werden. Sie ist allerdings mittlerweile dreimal so lang. Die Tochter meiner Freundin verbrachte ihre Ferien damit, die vielzähligen Arme der Pflanze zu entwirren und ihr an der Zimmerdecke mit Schnüren zu neuen Wegen zu verhelfen. Eigentlich sollte der Jasmin blühen, sagt meine Freundin, doch das tat er nie. Sie überlegt, ihn zu beschneiden. Aber das bringe sie nicht übers Herz. Stattdessen ist ihr Wohnzimmer ist ein wunderbarer, unbeherrschbarer Dschungel.
Die Gärtnerin braucht vielleicht mehr Zuversicht in die Welt um einen herum als die Tischlerin. Wenn wir in die Institutionen und die Menschen, die unsere Kinder mit beeinflussen, Vertrauen haben, fällt es uns leichter, loszulassen und die eigene Kontrolle zurückzufahren. Für unsere Kinder ist das eine Chance. Die Chance, selbst zu entscheiden, welche Wege sie einschlagen wollen und ob und welche Blüten sie treiben wollen. Die Musikschule bietet übrigens auch Instrumentenunterricht für Erwachsene an.
Eva Hoffmann