There’s no going home — Es gibt kein Nachhausekommen, singen Radical Face auf ihrem schönen und melancholischen Album Ghost Towns, auf dem sich alle Lieder um Kindheit, Vergangenheit und Familie drehen. Ich glaube, ich weiß, was damit gemeint ist.
Ich wohne, nach über zwanzig Jahren, seit 2020 wieder in Bayreuth. Gegangen bin ich mit achtzehn. Zurückgekommen mit einer Tochter und einem Partner. Bayreuth ist das gleiche geblieben und doch ganz anders. Ich konnte es kaum erwarten, als Teenager wegzuziehen und alles Bekannte zurückzulassen. Bayreuth kam mir sehr klein und sehr konservativ vor. Jetzt schätze ich die Nähe zur fränkischen Schweiz, die kurzen Distanzen, die fahrradfreundlichen Wege zur Arbeit und zum Kindergarten. Vor allem aber wohnen meine Eltern, die Großeltern meiner Tochter, hier.
Lange Zeit habe ich Familien, die zurück in die Nähe der Großeltern ziehen, nicht verstehen können. Ich war heimlich stolz darauf, es auch ohne zu schaffen. Freundinnen und Freunde haben die Rolle übernommen, die eigentlich, idealerweise, Großeltern ausfüllen. Aber irgendwann wurde mir klar, dass Großeltern nicht nur eine unglaublich wichtige Stütze für berufstätige Eltern sind. Sondern wie wertvoll die Zeit, die meine Tochter mit meinen Eltern teilt, für alle ist.
Unsere Tochter ist fünf. Sie liebt die Zeit mit ihren Großeltern. Mit Oma kann sie stundenlang spielen. Mein altes Kinderzimmer ist jetzt das Zimmer, in das sich die beiden stundenlang zurückziehen. Ich muss draußen bleiben, das Zimmer ist das Territorium, das die beiden nur miteinander teilen wollen. Opa kann in den Augen meiner Tochter alles reparieren. Wann immer etwas kaputt geht, bringt sie es zu ihm, in dem unerschütterlichen Glauben, dass er es richten kann. Und er kann es dann auch immer.
Die Erinnerungen, die die drei schaffen, werden meine Tochter für immer begleiten. Wenn man sie nach ihrer Adresse fragt, sagt sie erst unsere Straße und dann, dass sie auch bei Oma und Opa wohnt. Wenn meine Tochter darüber spricht, wie es sein wird, wenn sie erwachsen ist, dann sagt sie, dass sie für immer in Bayreuth bleiben will. Sie wird dann in einem eigenen Haus wohnen und ich und ihr Vater zusammen in einem anderen, ganz in der Nähe. Ich weiß es nicht genau, aber ich bin mir fast sicher, dass ich mir meine Zukunft schon mit fünf anders vorgestellt habe.
Ich weiß, dass Enkelkinder und Großeltern auch ohne in unmittelbarer Nähe zu wohnen, ein inniges und besonderes Verhältnis haben können. Und andersherum ist mir bewusst, dass Familienmitglieder einander physisch nah, aber emotional nicht weiter weg voneinander sein können. Trotzdem bin ich meinen Eltern dankbar, dass sie so für unser Kind da sind. Gleichzeitig weiß ich, dass das nichts mit mir zu tun hat und ich ihnen dafür nicht einmal wirklich danken kann, da sie es nicht für mich tun, sondern auch für sich.
Meine Mutter hatte letztens eine medizinische Untersuchung. Meine Tochter wollte sie morgens noch einmal anrufen, um ihr viel Glück zu wünschen. Sie kennt die Nummer meiner Eltern auswendig, das ist die einzige Telefonnummer, die sie kennt. Das Telefonat war kurz, die Verabschiedung aber nicht: Beide sagten abwechselnd ungefähr zehnmal „Tschüss“ zueinander. Ich hörte meine Mutter noch lachen, als meine Tochter mir schon den Hörer reichte, damit ich auflegen konnte.
Eva Hoffmann